„Was genau wirst du tun?“, frag ich vorsichtig.

„Das Video online stellen“, sagt sie.

Ich mach einen Schritt auf sie zu und sag leise: „Wenn du das wirklich tust, bin ich komplett im Arsch.“

 „Was soll das heißen?“

„Die haben uns zusammen gesehen. Und damit ist dieser USB-Stick meine Lebensversicherung. Aber nur, solange du ihn für dich behältst.“

„Ausgeschlossen.“ Sie schüttelt den Kopf. „Die Öffentlichkeit muss das erfahren. Die Leute müssen begreifen, dass Kuschinski nicht der smarte Jungpolitiker ist, für den ihn alle halten, sondern ein gewalttätiger Rassist.“

„Und dann?“, frag ich.

„Und dann?“ Sie guckt, als hätt ich was unglaublich blödes gefragt. „Dann haben wir ihm die Maske vom Gesicht gerissen. Es geht darum zu zeigen, dass die DAP keine Partei von besorgten Bürgern aus der Mitte der Gesellschaft ist, sondern zumindest in Teilen ein Haufen gefährlicher Rechtsextremisten.“

„Ach. Denkst du etwa, die Leute würden dann deswegen nicht die DAP wählen? Mann, sie wählen sie doch gerade deshalb: eben weil es Rassisten sind. Die fühlen sich von der Gesellschaft total gefickt und wollen das endlich mal zurückzahlen.“

Henry verschränkt die Arme vor der Brust, legt den Kopf schräg und meint: „Ziemlich ausgefeilte Analyse für einen, der sagt, er würde sich null für Politik interessieren.“


Making of

„Wenn dich dieser Rechtsruck so zornig macht“, sagte Christine, „dann schreib doch darüber.“

„Da hab ich schon vor zehn Jahren drüber geschrieben“, sagte ich.

„Aber heute ist es nötiger“, erwiderte sie.

„Stimmt“, sagte ich. „Das Problem ist nur – mir fällt keine gute Geschichte ein. Nicht im Geringsten.“

„Egal, ich sag schon mal dem Verlag Bescheid“, meinte Christine. Sie ist nämlich meine Agentin.

Dabei wollte ich doch endlich UND DANN WEISS JEDER fertigschreiben; die Arbeit an diesem Roman hatte ich bereits für DSCHIHAD CALLING unterbrochen. Und ich unterbrach sie ein zweites Mal, denn dtv wollte den Roman „gegen Rechts“ unbedingt, am besten schnell, also noch vor der Bundestagswahl. Das waren nicht mal 11 Monate. Ich wollte ihn auch, sehr sogar, aber ich hatte noch immer nicht die leiseste Idee. Wobei – das stimmt nicht. Sofort waren da die kämpferische Bloggerin Henry und der smarte Rechtspopulist Fred in meinem Kopf. Zwei würdige Kontrahenten. Aber etwas ganz wichtiges fehlte. Bzw: Jemand.

Da erinnerte ich mich an einen alten … nun ja, sagen wir mal: Weggefährten. Magnus Mahlmann, Hauptfigur meines Romans DAS HELDENPROJEKT. Was macht Magnus eigentlich heute so?, hab ich mich gefragt. Er müsste doch inzwischen knapp dreißig sein. Bestimmt legt er sich immer noch mit Nazis an. Und plötzlich war da dieser USB-Stick und diese Hochhaussiedlung, dieser Spielplatz auf dem Dach der Garage … (ich bin nämlich selbst in so einem Block aufgewachsen und hab als Kind auf dem Dach der Garage gespielt) … und aus dem Schatten der Nacht tauchte ganz unvermittelt Robin auf.

Robin Fuchs, 17, Ex-Dealer und Schulabbrecher, der eigentlich nur ein Ziel im Leben verfolgt, nämlich seine Ruhe zu haben und bloß nirgends reingezogen zu werden. Mich elektrisierte die Idee, einen hochpolitischen Roman zu schreiben aus der Sicht von jemandem, der sich für kaum etwas weniger interessiert als für Politik.

Ich war gerade im Schwarzwald auf Lesereise und saß in einem sehr einsamen, sehr einfachen Hotel und tippte das Wort EXPOSEE in den Laptop. Und gegen drei Uhr morgens war Robin zur Hauptfigur mutiert und die Romanhandlung stand.

Nun brauchte ich das Buch ja einfach nur noch schreiben.


Presse

„Unerträgliche Gehirnwäsche.“
Thomas Hartung in „AfD Sachsen Aktuell“, Nr.32/2017

"Mit „Der Schuss“ hält Christian Linker unserer Gesellschaft einen sehr kritischen Spiegel vor. Dass er seine Geschichte aus der Perspektive mehrerer Personen erzählt, heizt das Tempo an. Dass Robins Kapitel in schnodderigen  Deutsch geschrieben sind, nervt etwas – ist aber ein interessantes stilistisches Element."
Angela Sommersberg, Kölner Stadt-Anzeiger, 2. März 2018

„Dem Autor gelingt es wirklich, dass aus dem Thema Literatur wird.“
Roswitha Budeus-Budde, Hilde Elisabeth Menzel und Ulrike Schultheis, Münchner Bücherschau, auf ihrer Liste „Die 100 besten Kinder- und Jugendbücher 2017“

"Ein Buch, das eindrucksvoll zeigt, auf welchem Nährboden rechtes Gedankengut gedeiht."
Heike Manssen in der Märkischen Allgemeinen Zeitung am 1.12.2017

„Das wichtigste deutsche Jugendbuch in diesem Jahr“
Mareike Hansen auf dem Buchblog „Die Bücherkrähe“, 29.11.2017


DER SCHUSS auf der Bühne