"involuntary celibcay"

 

Maikel hatte inzwischen schon zu etlichen Anlässen Workshops über Geschlechterrollen und Identität gehalten, mit fünf oder fünfzig Personen, über vierzig Minuten oder ganze Tage, er hatte haufenweise Bausteine dazu im Kopf. Auch hier startete er mit einer Einführung in die Gender-Theorie, streifte die Quotendebatte und wollte sehr kurz sein Lieblingsthema der toxischen Männlichkeit ansprechen, als er innehielt und dann rasch weiterklickte. Auf dieser Folie, er kannte sie auswendig, gab es sieben Spiegelstriche mit Stichworten und das Stichwort Nummer vier lautete: „Incel“.

Der Begriff stand für involuntary celibcay, unfreiwillig zölibatär, so bezeichneten sich Anhänger einer wachsenden Bewegung von sexuell frustrierten weißen Single-Hetero-Männern, die sich in ihrem Leben von Mädchen und Frauen abgewiesen fühlten und die Schuld dafür dem Feminismus gaben. Verschiedene rechtsextreme Attentäter wie der Shisha-Bar-Mörder von Hanau rechneten sich sogar ausdrücklich selbst zu dieser „Bewegung“. Obwohl das also ein ziemlich ernstes Thema war, hatte es in Maikels Workshops bislang meist Heiterkeit hervorgerufen, weil es derart absurd erschien. Bis jetzt. Denn hier, wurde Maikel jäh bewusst, saß ein Haufen Incels direkt vor ihm. Spontan beschloss er, das Thema einfach zu umgehen, aber zu spät, die Jungs hatten das Wort sofort auf der Folie erkannt, noch bevor er hatte weiterklicken können ...