Corona-Bullshit-Wochen-Wut

 

Wunderbarer Lockdown. Mit einer Tasse Tee gemütlich in den Sessel kuscheln, ein gutes Buch auf dem Schoß, einfach in Geschichten eintauchen und genießen. So hygge kann Corona sein.

Ist es aber nicht!

Lesen auch nicht!

Lesen muss widerständig sein und provozieren, jedenfalls für mich. Es muss verunsichern und konfrontieren UND dabei auch noch gut unterhalten – und genauso wie das Lesen muss das Schreiben sein.

Da saßen wir nun inmitten der Krise und hatten endlich Zeit zum Schreiben – meinten manche Zeitgenoss*innen und z. B. die Süddeutsche Zeitung. Den Roman, den wir immer schon schreiben wollten oder am besten gleich über Corona selbst, etwa so. Schöne Idee, blendet man kurz mal die Möglichkeit aus, dass auch Schriftsteller*innen Kinder haben könnten, die neben dem Romanschreiben zu beschulen, bespaßen und bekochen wären.

Mein Lockdown hieß: nur noch ein halbes Einkommen (abgesagte Lesereisen), nur noch ein Viertel der bisherigen Arbeitszeit (dank Schulschließung und Homeschooling), nur noch ein Zehntel der bisherigen Zigarettenmenge (siehe oben, schließlich rauche ich nur, während die Kinder in der Schule sind), dafür dreimal so viel Kaffee (selber Grund) und immer noch haargenau dieselbe f*** Abgabefrist wie vorher.

Doch die Welt, in der jener zu schreibende Roman hätte spielen sollen, existierte plötzlich nicht mehr. Über einen nie geahnten gesellschaftlichen Um- und Aufbruch zu fantasieren, kommt einfach sehr scheiße, wenn sich gerade ein nie geahnter gesellschaftlicher Ab- und Zusammenbruch ereignet. Übertreibe ich da nicht ein wenig? Gewiss, gewiss. Ich fühlte zwar nichts als lähmende Leere, wie hunderte meiner Kolleg*innen auch, aber außerhalb der Blase von uns Kulturschaffenden interessierte das eigentlich niemanden, schließlich standen ja alle vor ihr eigenen - je nach Branche - Existenzangst, Langeweile, Rekordüberstundensammlung (ihr erinnert euch, wie wir mal für Pflegekräfte geklatscht haben, bevor wir sie wegen ihres Kampfes für höhere Löhne beschimpften?) oder beruflichen Vernichtung, da ging es mir ja irgendwie nur so mittel-schlecht bis fast schon wieder eher lala, und außerdem war ich in meiner pandemischen Apathie den Kindern kein gutes Vorbild. Also versuchte ich Arbeit zu simulieren und schrieb weiter, immer weiter, bis sich das Virus in den neuen Roman hineinzuschleichen und dort zu replizieren begann.

In zehn Jahren werde ich vielleicht mal sagen, dass Corona diesen Roman überhaupt erst zu dem gemacht hat, was er ist. (U.a. hoffentlich super extrem erfolgreich!) Aber in diesem Falle möge ich bitte nochmal jemand auf diese Zeilen hier hinweisen und mich erinnern, dass Corona vor allem eins war (i.e.: gewesen sein wird, inschallah): richtig Kacke.

Der Roman kommt aber trotzdem und zwar nächsten Februar. Er wird den Titel TOXISCHE MACHT tragen. Einen kleinen, corona-infizierten Ausschnitt daraus, lest ihr >hier.