Wer hat Angst vor den Krater-Piraten?
Wir sind vier Stunden gelaufen, ohne irgendeinem lebenden Wesen begegnet zu sein. Es gibt nicht mal Reifenspuren. Wir stapfen einfach weiter durch den roten Sand. Theoretisch reicht unser Sauerstoff noch für zwei Stunden. Theoretisch. Der Verbrauch war darauf ausgelegt, dass wir entspannt im Rover sitzen und nicht durch die Wüste marschieren. Oder taumeln. Ich merke, dass ich Schlangenlinien laufe wie ein Betrunkener. Mein Kopf beginnt zu pochen. Auch Solnik wankt. Jonto geht irgendwie schief, als würde er einen steilen Hang entlanglaufen. Gülcan schleppt sich tief vorgebeugt vorwärts. Meine Beine kribbeln, als wären sie eingeschlafen. Und irgendwann fühle ich sie gar nicht mehr. Ich vermute, das liegt alles am Sauerstoffmangel in meinem Körper. Dann lasse ich mich einfach auf den Boden plumpsen. Komisches Gefühl – mein Gehirn weiß eigentlich, dass es gerade viel zu wenig Sauerstoff abbekommt. Das sollte mich in totale Panik versetzen, aber stattdessen macht sich eine fast schon angenehme Leichtigkeit in mir breit. Ich falle auf den Rücken und schaue in den orangenen Mars-Himmel. Ich klappe den Mund auf und zu wie ein Fisch auf dem Trockenen.
Plötzlich verschwindet die Sonne, weil sich etwas vor sie schiebt. Ein Schatten fällt auf mein Gesicht und dann verbindet sich eine fremde Stimme mit dem Funkkanal meines Helms und sagt in spöttischem Tonfall: „Wen haben wir denn hier?“
Und eine zweite Stimme: „Hat hier jemand Bock auf ‘ne Nase frische Luft? Wir machen euch ‘nen guten Preis.“
Interplanetare Rettungsmission
Früher hieß er Wilhelm van de Ven und gehörte zu Gülcans Gang, die auf der gestrandeten Schwimmstadt Nieuw Rotterdam ihr Unwesen trieb. Heute ist er Multimillionär, versteckt sich vor der Öffentlichkeit und nennt sich schlicht Will. Aber Verstecken geht nicht mehr, denn in der Neujahrsnacht 2100 erreicht ihn ein Hilferuf vom Nachbarplaneten: Seine Freunde Jonto und Solnik wurden bei einem Besuch der Mars-Kolonien vom Geheimdienst ARES verschleppt! Angeblich haben sie sich mit dem TET-Konzern angelegt, der den Roten Planeten brutal beherrscht. Die Regierung von Zentropa auf der Erde kann ihnen nicht helfen. Also bricht Will zusammen mit Gülcan zu einer abenteuerlichen Rettungsmission auf, bei der nicht nur ihre Zukunft auf dem Spiel steht – sondern die des ganzen Mars.
Making of
Die ersten Kapitel meines Romans BOY FROM MARS spielen auf dem Roten Planeten, bevor die Hauptfigur Jonto als „unnützes Kind“ eingestuft und zur Erde abgeschoben wird. Hier unten, auf unserem vom Klimawandel und zahlreichen Kriegen ziemlich gebeutelten Heimatplaneten im Jahr 2099, entwickelt sich dann die abenteuerliche Story von der Jagd nach der geheimen Erfindung, die Jontos Opa Ben einst versteckt hat.
Aber seit ich dieses Buch geschrieben hatte, ließ mich der Mars nicht mehr los. Manchmal ertappte ich mich dabei, wie ich in den Nachthimmel schaute und versonnen den winzigen orangenen Punkt betrachtete – und mir ausmalte, wie es wäre, noch einmal dorthin zurückzukehren. Also zumindest in meiner Fantasie. In einem neuen Buch.
Die Gesellschaft in den neun Kolonien des Mars habe ich mir nicht als Demokratie vorgestellt. Schließlich wurde die Besiedlung ab der zweiten Hälfte des 21. Jahrhunderts durch eine private Firma organisiert. Deren Chef Bo Wang ist zugleich Präsident des Mars und hasst solche Dinge wie Vielfalt oder fremde Gebräuche oder „solch irdischen Unsinn wie eine angebliche Gerechtigkeit zwischen den Geschlechtern“. Er – und nur er – kennt den wahren Willen des Volkes, sagt er. Ich gebe zu, dass ich bei der Vorgeschichte auch ein bisschen an Elon Musk und dessen Pläne einer Mars-Kolonisierung gedacht habe. Wobei ich mir ja im Herbst 2024 echt nicht ausmalen konnte, wie krass sich die politische Situation in den USA entwickeln würde. Vielleicht ist der Hintergrund von BACK TO MARS realistischer, als ich selbst es mir wünschen würde. Andererseits: Bis zum Jahr 2100 ist noch viel Zeit und die Menschheit hat es ja in der Hand. Aber falls wir scheitern, haben wir ja immer noch Will und Gülcan, Jonto und Solnik und ihre Freund*innen, die sich in den Kampf für Freiheit und Demokratie stürzen.