Die Fußgängerampel zeigte Rot, aber das hielt ihn nicht auf. Ohne nach rechts oder links zu sehen sprang er aus vollem Lauf auf die zweispurige Straße. In diesem Augenblick kam die Erkenntnis. Und zwar so, als bewegte er sich in extremer Zeitlupe, als schwebte er einen Moment lang in der Luft. Da waren gar keine Autos. Da waren keine Leute unterwegs, nicht eine Menschenseele.

Er kam auf dem Asphalt auf, bremste seinen Sprint und trabte noch ein paar Schritte, bevor er mitten auf der großen Kreuzung stehen blieb, wo die vier Fahrspuren mit den beiden Straßenbahngleisen seine eigene kleine Straße querten. Kein Auto, kein Fahrrad, kein Mofa fuhr, keine Kinder warteten an der Ampel, kein Lieferwagen hielt vor dem Supermarkt, keine Jugendlichen hingen vor dem Kiosk rum. Das Fenster des Kiosks war geschlossen wie sonst nur sonntags. Hinter den breiten Scheiben des Supermarktes herrschte Finsternis. Die Fußgängerampel sprang von Rot auf Grün und summte für sich allein.


Making of

Über mehrere Jahre hinweg arbeitete ich an meinem Roman DSCHIHAD CALLING und hielt ihn zwischendurch für völlig gescheitert. Um auf andere Gedanken zu kommen, wollte ich noch mal ein Kinderbuch schreiben, was ich ewig nicht gemacht hatte. Die Idee dazu kam mir im Garten. Also eigentlich haben wir gar keinen Garten, jedenfalls keinen eigenen, aber es gibt da diese riesige Brachfläche hinter unserem Haus, von der wir uns ein Stück als Garten abgetrennt haben. Der Rest ist ganz zauberhaft mystisch verwildert, und das alte Gebäude, das darauf steht, wird mehr und mehr vom Wald verschluckt, der dort inzwischen gewachsen ist. Ich erinnerte mich an daran, dass ich als Kind – so am Vorabend der Pubertät – manchmal ein bisschen grüblerisch und weltverloren war und mir ausmalte, wie ich leben würde, wenn plötzlichsämtliche Menschen von diesem Planeten verschwinden würden. Außer mir natürlich. Es hätte gewiss seinen Reiz. Aber es wäre ganz bestimmt auch sehr gruselig.

Genau das erlebt Janek in STADT DER WÖLFE.

Übrigens fand ich irgendwo einen sehr interessanten wissenschaftlichen Aufsatz darüber, was wohl passieren würde, wenn wirklich von jetzt auf gleich keine Menschen mehr auf der Erde leben würden. Für ein paar Tage gäbe es wohl noch Strom, aber Fernsehen und Internet wären sofort tot. Nach und nach würde die Natur all die Städte und Fabriken und Autobahnen zurückerobern und sich wieder einverleiben und irgendwann würden nur noch ein paar Ruinen an unsere Spezies erinnern. Irgendwie ganz gut, dass es nur ein Gedankenexperiment bleibt … oder?


Presse

Renate Pinzke, Hamburger Morgenpost, 28.05.-03.06.2015
»Originell, toll geschrieben, nachdenklich stimmend.«

Ruth van Nahl, alliteratus.com, April 2015
»Eine schöne Geschichte für junge Leser – spannend und humorvoll.«